Digitalisierung für mehr Selbständigkeit im Alter

Begrüssung an der ALSO-Veranstaltung «Strong Age – Für ein gesundes, starkes und möglichst unabhängiges Alter» vom 22.10.2018

Als der deutsche Dichter und Lyriker Heinrich Heine 1843 seinen ersten Zug von Paris nach Linden bestieg, schrieb er mit euphorischen Worten: «Durch die Eisenbahn wird Raum getötet und es bleibt Zeit übrig. Ich kann die Ostsee schon riechen! » Als 13 Jahre zuvor der Pfarrer von Schwaben über die Dampflock schrieb, klang das Ganze noch ein wenig dramatischer: «Die Eisenbahn ist ein Teufelsding! Das rasende Tempo wird zu Lungenentzündungen und Gehirnverwirrungen führen! » Zur Erinnerung: Die Spitzengeschwindigkeit war damals 60 Stundenkilometer, meistens fuhren die Züge aber viel langsamer. Das reichte wohl kaum, um den Raum zu zerstören und den Menschen in seinen Grundfesten zu verwirren.

Aber so altbacken die Aussagen heute auch klingen mögen, so sehr sind sie auch eine geschichtliche Konstante: Jeder neuen Technologie wird entweder mit überbordendem Enthusiasmus oder zermürbendSem Pessimums begegnet. Und das ist verständlich: Die Geschichte des technischen Fortschritts ist eine Geschichte des Tempos. Auf jede technische Revolution folgt in immer kürzeren Abständen eine Neue. Die Welt erneuert sich in einer Geschwindigkeit, die dem Menschen seit jeher Mühe bereitet, sie scheint ihm in einem unmenschlichen Tempo zu entgleiten.

Aber die Geschichte des technischen Fortschritts ist auch immer eine Geschichte der Befreiung. Befreiung von Zwängen, die dem Menschen von der Natur oder der Gesellschaft auferlegt wurden. Die Entdeckung von Antibiotika hat viele Menschen vor einem vermeidbaren Tod bewahrt. Durch die ersten rudimentären Rechencomputer konnte der Mensch die Grenzen der Erde überwinden und den Mond besuchen. Neue Technologien durchbrechen die Grenzen des bis anhin für möglich gehaltenen und schaffen so neue Horizonte.

Die interdisziplinäre Studie StrongAge möchte die technologischen Fortschritte in der Digitalisierung und Datenanalyse gewinnbringend für das Alter umsetzen. Es geht nicht darum, Pflegepersonal durch Roboter mit einem Herz aus elektrischen Schaltkreisen zu ersetzen, wie ein moderner Pfarrer von Schwaben vielleicht von der Kanzel mahnen würde. Auch werden die Einschränkungen des Alters dadurch nicht vollständig aufgelöst, wie ein neumodischer Heinrich Heine vermutlich voller Euphorie in seinen Notizblock schreiben würde.

Nein, es geht darum – jenseits von Enthusiasmus und Pessimismus - durch wissenschaftliche Besonnenheit dem Wunsch nach Selbstständigkeit im Alter gerecht zu werden. Heute sind Menschen im fortgeschrittenen Alter oft auf ihre Angehörigen, auf Institutionen wie die Spitex oder auf Altersheime angewiesen. Die Gründe dafür sind oft die Einschränkungen, die das Alter mit sich bringt: Abnahme von Kraft und Beweglichkeit, eine Verlangsamung von Denkabläufen. Die Welt scheint dem Menschen mit jedem Jahr ein wenig schneller zu entgleiten.

Doch diese Einschränkungen sind nur die neuste Grenze, die sich uns entgegenstellt. Die Geschichte des technologischen Fortschrittes zeigt uns, dass auch diese Grenzen der Selbstständigkeit durch eine gewinnbringende Umsetzung von neuen Technologien für ältere Menschen überwunden werden können.

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