Ein Dankeschön an alle Angehörigen von Demenzkranken
Alzheimervereinigung Preisverleihung vom 20. September 2017
Eigentlich ist uns lange gar nichts aufgefallen. Klar, bei unserer Mutter ist immer die Arbeit auf dem Hof, im Garten und im Haus im Zentrum gestanden. Trotzdem, sie hat auch gerne gelesen und war engagiert an Diskussionen, hat jedes Rezept von Hand aufgeschrieben, die Buchhaltung geführt und sich um den Bürokram gekümmert. Dass sie dann ab und zu nach einem Wort suchen musste, war nichts Aussergewöhnliches. Als sie dann immer mehr nach Wörtern rang, ist uns das dann doch aufgefallen – weitere Gedanken haben wir uns aber keine gemacht.
Als unsere Mutter dann unseren Kindern an Weihnachten und Geburtstagen mit zittriger Schrift Karten schrieb, auf welchen nur noch einzelne Wörter, aber keine ganzen Sätze mehr zu erkennen waren, stellten wir mit Erschrecken fest, dass unsere Mutter in letzter Zeit nicht mehr so viel mit uns geredet hat. Meisten haben vor allem wir gesprochen – unsere Mutter war nur noch mit Ja oder Nein am Gespräch beteiligt.
Trotzdem: Im Haushalt hat immer noch alles funktioniert. Meine Mutter hat weiterhin gekocht, geputzt, im Garten gearbeitet. Alles Abläufe, die seit Jahrzehnten eingeübt waren. Mit der Zeit verstummte sie aber immer wie mehr bis sie eines Tages auch das Fleischplätzli nicht mehr hat braten konnte. Sie wusste einfach nicht mehr, wie es geht.
Es folgten Mahlzeitendienst, Spitex, Betreuung durch uns Angehörige bis nur noch das Altersheim möglich war. Dort blühte sie tatsächlich noch mal auf, weil alle mit ihr geredet haben, auch wenn sie nicht antworten konnte. Doch das Verwelken schritt leider weiter voran. Meine Mutter musste in den sog. 4. Stock versetzt werden, in die Abteilung Betreuung in der Wohngruppe. Das hiess leider aber auch, dass niemand von den Bewohnerinnen dieser Gruppe in der Lage gewesen ist, mit meiner Mutter zu reden. Das war sehr trostlos.
Sie alle kennen sicher solche Geschichten und Lebensläufe, schöne und weniger schöne Momente, anstrengende, aber auch entlastende Situationen. Gute Lösungen und auch nicht so gute Lösungen, wie wir mit Menschen mit Demenzerkrankungen umgehen.
Der Welt-Alzheimertag soll dieses Jahr ein Dankeschön an alle Angehörigen von Demenzkranken sein, die mit ihrer wertvollen Betreuungsarbeit die finanzielle und emotionale Hauptlast der Krankheit zu tragen haben.
Betreuungsarbeit von Demenzkranken wird aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft eine grosse Herausforderung sein. Die Ressourcen, die benötigt werden, sind enorm. Je niederschwelliger die Unterstützung ist - und je länger es geht, bis man aus dem persönlichen Umfeld herausgerissen wird - umso länger funktioniert es noch einigermassen. Angehörige spielen dabei eine wichtige Rolle, dass das überhaupt möglich ist.
Es braucht aber auch Zeiten der Entlastung und Hilfe bei Überforderung. Nebst der Arbeit der Angehörigen wird Freiwilligenarbeit immer wichtiger. Und wie bereits gesagt: Die Betreuung zu Hause, in der gewohnten Umgebung, sollte eigentlich so lange wie möglich aufrechterhalten bleiben können. Die heutige Preisträgerin, die sich als freiberufliche Pflegefachfrau bei der Betreuung zu Hause engagiert, nimmt da eine wichtige Rolle ein. Nur so kann überhaupt ein einigermassen für alle funktionierendes Umfeld geschaffen werden.
Die Arbeit und das Engagement der Preisträgerin Frau Steiner steht daher zu Recht heut im Mittelpunkt dieser Veranstaltung. Ich wünsche im Namen der Regierung des Kantons Solothurn der Preisträgerin alles Gute und allen Angehörigen und allen bei der Betreuung von Demenzkranken engagierten Frauen und Männer viel Kraft. Danke, für euren Einsatz, danke für euer Engagement.