Heimweg mit Hindernissen
Nach dem letzten Theaterbesuch schlenderten wir drei Frauen durch die Stadt und entschieden uns, im Vaudoise noch ein Bier trinken zu gehen. Vom Zielemp herkommend, das schmale Gässchen der Stadtmauer entlang Richtung Ildefonsplatz fiel es uns plötzlich wie Schuppen von den Augen: die schönste Ecke von Olten! Ich hatte diesen Ort bisher nie so richtig wahrgenommen. Aber jetzt weiss ich, warum viele Touristen sagen, Olten habe eine schöne Altstadt. Es war Abend, friedlich und still, die Häuser der Stadtmauer, wie aus früherer Zeit, der gepflästerte Platz, der Ildefonsturm und über uns der Sternenhimmel. Idylle und Schönheit wie aus dem Reiseprospekt, sozusagen vor der eigenen Haustüre.
Apropos eigene Haustüre: Leider ist der Rückweg vom Café Vaudoise nach Hause ins Hardeggquartier deutlich weniger idyllisch. Nach der alten Brücke stehen mir grundsätzlich drei Varianten offen: Mit dem Velo über die Kreuzung, dem Aarequai entlang zur Bahnhofunterführung oder durch die Winkelunterführung.
Variante Velo erinnert mich immer wieder an mein erstes politisches Erlebnis nach meinem Umzug in die Stadt vor gut 10 Jahren. Das damals vorgestellte Velokonzept schilderte die Querung der Stadtseite durch die Unterführungsstrasse als völlig problemlos.
Einfach bei grün wie die Supersportlerin in die Pedale treten und frau erwischt dann locker die Grünphase um links Richtung Kanti abzubiegen.
Allerdings muss ich sagen, dass ich auch nach 10jähriger Praxis die kurze Strecke als wenig entspannend und das Nebeneinander von Autos und Velos alles andere als friedlich erlebe. Aber ein erleichtertes Gefühl, wieder mal nicht unter die Räder gekommen zu sein, kann sich durchaus einstellen.
Da ich an dem besagten Abend zu Fuss unterwegs bin, könnte ich doch dem schönen Andaarequai entlang schlendern, zur Aareterrasse und dann durch Bahnhofsunterführung zu meiner Haustüre gelangen. Könnte, wenn denn das Projekt Andaare wirklich gebaut worden wäre. Aber die 25 Millionen, die die Oltner Stimmberechtigten vor fünf Jahren gesprochen hatten, sind wahrscheinlich, so genau weiss das keiner, für so wichtige Projekte wie Eisstadion und Stadthausrenovation verbraucht worden, auch da hat das Volk schliesslich ja gesagt. Nun könnte man meinen, ein Ja ist ein Ja, aber offensichtlich gibt es Ja, die halt doch etwas mehr ja sind.
Nun denn, nehmen wir beherzt Variante 3 unter die Füsse, die Winkelunterführung! Die müsste eigentlich in der Zwischenzeit „pinselrenoviert“ sein. Das war ja das Versprechen des Stadtrates, als er damals dem Parlament die Ablehnung der Winkelinitiative empfohlen hatte. Eine Initiative, in der viele einen echten Lösungsansatz für ein drängendes Problem gesehen hatten. Dem Stadtrat war der Vorstoss zu radikal und er machte sich für kostengünstigere, bescheidenere Verbesserungen stark. Aber ein Versprechen gilt bekanntlich noch weniger als ein Ja. Und so bröckelt die Winkelunterführung auch im Jahr 2016 trostlos vor sich hin. Ein Fremder, der es schafft, diesen Unort zu durchqueren, hat die schönste Ecke von Olten wirklich verdient!